Industriedenkmal Jakob Bengel
Man kann also auch erfolgreich sein, wenn man ein Bengel ist. Na das lässt ja hoffen..
Eine stillgelegte Schmuckfabrik lädt zu Erkunden ein. Jeder der schon einmal über die Naheüberbauung in Idar-Oberstein fuhr, ist schon an der Rückseite des ehemaligen Industriegebäudes vorbeigerauscht. Doch wir finden, auch ein Abstecher von der Schnellstraße in die Wilhlemstraße ist der Mühe wert.
Bis in die 1990er Jahre hinein wurde in der Metallwarenfabrik Modeschmuck und Accessoires für den gehobenen Geschmack und Geldbeutel produziert. Dann wurde die Konkurrenz aus Fernost zum Killer für das Familienunternehmen. Den Initiator des Industriemuseums Karl-Dieter Braun kenne ich schon seit Jahren. An Gespräche mit Ihm aus der Gründungszeit des Museums kann ich mich noch gut erinnern.
Schon als ich vor ein paar Jahren das erste Mal dort war, war ich begeistert. Die Freude, die Energie, das Funkeln in den Augen, wenn man das Glück hat, von Herrn Braun durch die Produktionsräume geführt zu werden – man muss es erlebt haben. Der Rundgang beginnt im Kettensaal mit seinen Kettendrehmaschinen. Früher trasmissionsbetriebe, mechanische Ungetüme, halb Nähmaschine halb mechanischer Fertigungsroboter ziehen am Draht, klackern, drehen sich, Hebel schnellen vor und verschieden wieder im Bauch der Apparatur und mit jeder Umdrehung klimpert ein neues Kettenglied in einen 20 Liter Eimer und wartet auf die weitere Verabreichung.
Im nächstem Raum kommt dann ein Presse zum Einsatz. Unter mächtigem Geschepper schnellt der Bolzen zwei, drei mal nach unten ins Gesenk und gibt schließlich den Blick auf ein kleines ins Alublech getriebene Königskrönchen frei.
Im nächstem Stockwerk erreichen wir dann die Arbeitsplätze der Stahlgraveure. Die Kunsthandwerker sind scheinbar nur kurz unterwegs – vielleicht um einen neuen Entwurf der Geschäftsleitung zu präsentieren. Alles liegt für die Arbeit wohl bereit. Mustertafeln hängen an der Wand und in der Ecke steht der mächtige Musterkoffer mit all dem, was man auf dem Pariser Modesalon Anno 1925 vorführen wollte. Daneben ein Regal über und über voll mit Werkzeugen, Formen, Gesenken für Stanzen und Pressen.
Im Raum daneben fand dann die Endmontage der Uhrenketten, Schmuckstücke und Art-Decó-Kunstwerke statt. Heute arbeiten hier junge Schmuckkünstler, um mit den vorhandenen Maschinen und Gerätschaften aus einer über 100jährigen Firmenproduktion neue Designs zu Entwerfen und neue Wege zu beschreiten.
Wissen Sie: Und dann hatten wir da eine junge Frau. Die meinte, Sie brauche einen Goldschmiedearbeitsplatz. Sie hat dann einfach die Stichsäge genommen, und den Tisch halbrund eingeschnitten. Als Goldschmied braucht man das ja so. Ich lass die dann machen, ist ja wunderbar mit den jungen Menschen.
Herrn Braun könnte man stundenlang zuhören.
Dann ein Blick ins Kontor. Nein, Büro kann man das wirklich nicht nennen, ein liebenswert chaotische Arbeitsplatz. Akten über Akten, handgeschriebene Ordnerrücken und stapelweise Korrespondenz. Welthandel aus einer Zeit, als Globalisierung noch nicht einmal dem Namen nach erfunden war.
Die Gusseiserne Wendeltreppe vor der Schreibstube zeigt wiederum etwas vom Wohlstand der Fabrikatenfamilie.
In der direkt angrenzende Villa Bengel kann man dann dem Großbürgertum des Kaiserreiches weiter nachspüren. Bleiverglaste Fenster, Vertäfelungen, hohe Decken mit reichlich Stuck geben einen würdevollen Rahmen für wechselnde Ausstellungen von internationalen Schmuckkünstlern und -Designern.
Die Metallwarenindustrie hat einmal der Stadtteil Oberstein dominiert. Hunderte von Familien lebten von der Produktion unedler Schmuckstücke, sei es als Fabrikarbeiter, sei es in der Heimarbeit. Das Owerstäner Trompedegold (Obersteiner Trompetengold) war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Davon ist nicht viel geblieben. Geblieben ist ein Industriedenkmal, das dank des Weitblicks der Eigentümerfamilie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Ein Museum, wie man es nicht all zu oft findet.
Schon scheen loh.